Wir Musiker sind immer international unterwegs auf Tourneen mit Konzerten. Dadurch haben wir von vornherein eine andere Verbindung zu Menschen unterschiedlicher Kulturen. Wir musizieren auch mit internationalen Musikern, sprechen zumindest zwei, wenn nicht mehr Sprachen und sind untereinander sehr verbunden. Wenn wir die Musik als Grundlage und verbindendes Element haben, besteht bereits eine unsichtbare Verbindung nur durch diese Tatsache. Und das unter den Musikern und zum Publikum hin, denn wir teilen alle die Liebe zur Musik, egal in welcher Form. Gleiches verbindet von vornherein, egal was an Unterschieden vorhanden ist. Im Orchester gibt es nochmal eine stärkere unsichtbare Verbindung untereinander. Wir fühlen uns alle gegenseitig, ohne Denken. Wir sind bewusst oder unbewusst auf einer Metaebene verbunden und spüren, wann der nächste Einsatz kommt, fügen uns automatisch zu einem großen Ganzen zusammen, mit oder ohne Dirigenten. Die Musik spielt sich quasi selbst, vor allem im Kammermusikbereich ohne Dirigenten, wo man sich untereinander nur spürt und bei jeder Performance auf einem Grat des Risikos und der Leere schwebt, denn es wird ja nicht automatisch etwas Geübtes abgespult, sondern jede Sekunde neu erschaffen und in dem Moment ausgedrückt. Das zusammen spielen und fließen im Moment ist eine besondere Verbindung. Ich kann es nur als göttlich erklären, denn hirn-mäßig kann man das nicht mehr nachvollziehen, was in diesen Zuständen passiert. Es ist höchste Konzentration, Entspannung und Spannung gleichzeitig, ein Zulassen, Zuhören und Schweben, Eingehen aufeinander und miteinander und das Publikum mit einzubeziehen in diesen Zustand. Es ist die Aufhebung der Trennung. Ich bin mir darüber bewusst und begebe mich auch mit diesem Bewusstsein in die Musik. Die meisten Musiker wissen nicht, was sie da tun, und können es in Worten nicht erklären, aber es entsteht trotzdem. Manchmal mehr, manchmal weniger. Wenn ich oft in Ländern spiele, wo ich die Sprache nicht verstehe, mir die Kultur völlig fremd ist und ich auch nicht die Zeit habe, einzutauchen, gibt es trotzdem die Musik als verbindendes Element zweier gegensätzlicher Pole ohne Worte und wir sind wieder in der Einheit. Der Konzertsaal wird zum Pool der Einheit und alle Gegensätze werden unwichtig und verschwinden. Wenn wir den Saal verlassen, werden wir wieder individualistisch und spüren uns getrennt, oft weit weg von Gepflogenheiten und Kontrasten anderer Länder und Menschen. Niemals können wir das Fremde nachvollziehen, lehnen es meist ab oder haben Angst davor, im Konzert ist das aber gar kein Thema, erst wenn die Musik wegfällt. Das sehr Individualistische mit unseren Vorlieben und Abneigungen, festen Vorstellungen, Meinungen und Weltanschauungen tut uns eigentlich gar nicht gut. Im Prinzip sind wir erleichtert, wenn wir von der Musik erlöst werden und uns auf eine höhere Ebene begeben dürfen, wo wir all das Trennende ablegen können und endlich aufatmen können von dem Joch, das wir uns selbst erschaffen haben. Auf der Musikebene sind wir alle gleich und es herrschen andere Gesetze, denen wir uns nur zu gerne beugen, denn das sind die wahren Gesetze, die uns ausmachen. Nicht unsere selbsterfundenen, selbst auferlegten Vorstellungen, Gesetzmäßigkeiten, Glaubensmuster und Lebensanschauungen, die meist von Angst, Schmerz und Vergangenheitstraumen stammen, keineswegs der Realität entsprechen und aus der Trennung geboren wurden. Ein Live Konzert mit bewussten Musikern ist wie Therapie. Je nachdem, wie der eigene Bewusstseinsstand ist, kann das jeder mehr oder weniger wahrnehmen, manche fühle es einfach nur, weil sie sich gut fühlen und ihr vorheriger Zustand verändert wird durch die Musik. Musik ist immer erhebend, sie reinigt und in dem Moment, wo man ihr folgt, lässt man sich auf eine Transformation ein. Sie erlöst uns von unseren quälenden Gedankenspiralen und spendet uns eine Atempause in der Verbindung zu uns selbst, Gott und den anderen. Ich spreche nicht von künstlich erzeugter, digitaler Musik, sondern von Musikern gespielter Musik auf Instrumenten. Sogenannte Musik aus dem Radio ist absichtlich trennend, denn die Seele kann ihr nicht folgen, sie hat keinen natürlichen Ausdruck und dient zur Betäubung aber nicht Erhebung. Jeder entscheidet sich freiwillig, wem und was er folgen möchte und was er seinem Bewusstsein gönnen möchte. Aber sogar in der technisierten, seelenlosen Musik ist eine Art Verbindung möglich, denn wenn das Radio läuft erzeugt es ein Gefühl, dass jemand da ist und man nicht alleine ist, auch eine Art Verbindung, wenn auch nicht besonders qualitätsvoll und keinesfalls erhebend, aber dumpf und primär. Obwohl es keine wirkliche Verbindung ist, sondern nur ein Übertünchen der Einsamkeit und des Ur-Trennungsschmerzes von Gott, ist es dennoch ein besseres Gefühl als der Schmerz, den alle unbewusst fühlen. Echte Musik erhebt uns aus diesem Schmerz, den wir alle in uns haben, digitale Musik betäubt den Schmerz und täuscht uns Gesellschaft, Geschäftigkeit, Wichtigkeit vor. Gespielte Musik hat immer eine Emotion dahinter, eine Geschichte. Oftmals ist es ein transformierter Schmerz und die Geschichte dahinter führt vom Dunkel ins Licht, unser aller Sehnsucht. Deshalb geht jede Seele damit in Resonanz auf irgendeine Weise. Wenn das Musikstück besonders gut gefällt, ist die Geschichte oder Primäremotion gleich mit der Person und sie kann die Transformation mitspüren und fühlt sich gut. Da wir alle dieselben Primäremotionen haben, gehen wir mit der meisten Musik irgendwie in Resonanz. Jeder hat dann natürlich seinen bestimmten Stilausdruck, der aus der Gewohnheit kommt, einer Schmerzvermeidung oder positiven Assoziation. Wenn man jemand Geliebten verloren hat und der Geliebte hat immer Klassik gehört, wird man vielleicht keine Klassik mehr hören können weil der Schmerz des Verlustes zu groß ist, damit angetriggert wird und Klassik somit unerträglich wird und abgelehnt wird. Oder man geht in Verbindung durch die Musik zu dem geliebten Menschen. Wenn man eine positive Assoziation hat mit einem Stück aus der Kindheit oder einer anderen wunderschönen Situation wird das Musikstück Euphorie erzeugen und Verbindung zu der Situation herstellen. Wenn man gewohnt ist, etwas Bestimmtes zu hören, wird man das ebenfalls wiederholen. Gewohnheit und Wiederholung sind auch eine Art Verbindung durch ein Sicherheitsgefühl, wenn auch künstlich hergestellt und von anderer Qualität. Musik ist ein Weg, um die Einheit zu erleben. Ein leichter Weg. Live Konzerte ermöglichen es, dass man dorthin transportiert wird. Aber auch auf CD ist dieses Erleben möglich, wenn man zuhört und nicht gleichzeitig etwas anderes macht. Aber sogar bei Hintergrundmusik wird die Stimmung gehoben und erhoben. Es gibt eben verschiedene Stufen der Erhebung und somit der Wahrnehmung der Einheit und Verbindung. Die Einheit ist immer da, nur nehmen wir sie für gewöhnlich nicht wahr und brauchen Hilfe, um in diesen Wahrnehmungszustand zu kommen. Ich glaube, es ist besonders wichtig, dass wir alle unsere Verbindung stärken, zu uns selbst, zu Gott und damit zu allem, was ist, denn wir sind ja alle verbunden. Nur Musik macht Verbindung fühlbar für uns.
TIPP
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